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Wochenkommentar vom 11.10. bis 17.10.2004 |
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Pensionen in Europa: Arbeiten bis 70? |
Im Auftrag der britischen Regierung wurde ein Bericht zur Lage und zur voraussichtlichen Entwicklung des Pensionssytems erstellt. Unter Beibehaltung der momentanen Sozialpolitik sind folgende Alternativen unausweichlich:
Entweder sinken die britischen Renten bis 2035 um 30 Prozent, oder es muss bis zum 70 Lebensjahr gearbeitet werden, oder die Menschen sparen pro Jahr zusätzlich 57 Milliarden Pfund Sterling.
In Großbritannien besteht das Rentensystem aus einer niedrigen staatlichen Grundpension plus einem Betriebsrentensystem. Die viel zu optimistischen Prognosen der Entwicklung der Aktienmärkte werden nun von der Wirklichkeit zurechtgestutzt. Je nach Schätzung 60.000 bis 100.000 Arbeitnehmer wurden durch Firmenzusammenbrüche ihrer Firmenpensionsansprüche beraubt. Knapp 40 Prozent der Erwerbstätigen sind nur unzureichend in der Lage für ihren Lebensabend vorzusorgen. Unhaltbare Versprechungen von Pensionsspezialisten wie Equitable Life haben die Bereitschaft zum Kauf solcher Produkte einbrechen lassen.
Die Praxis hat wieder einmal gezeigt, dass ein Umlageverfahren die sicherste Art der Pensionsvorsorge ist. Trotzdem fordern nun in Österreich Vertreter von privaten Pensionskassen eine gesetzliche Verpflichtung zur privaten Pensionsvorsorge. Sie lassen sich auch von der Einschätzung des Internationalen Währungsfond nicht eines Besseren belehren: wenn zur Sicherung des Lebensabends massenhaft Aktien durch Pensionsfonds verkauft werden müssen, wird das Überangebot die Aktienpreise drücken und auch die damit verbundenen Privatpensionen.
Pensionsexperten rechnen bei uns in fünf bis zehn Jahren mit einer weiteren Verschlechterung der Pensionen, denn die jetzige Harmonisierung sei zu sehr verwässert. Der österreichische Weltbankdirektor Holzmann hält eine um 10 Jahre längere Arbeitszeit für erforderlich. Der sorgfältig abgestimmte Chor des Katastrophengesanges hat System. Die Neoliberalen und die von ihnen beherrschten Institutionen- von der Weltbank bis zu den Gremien der EU- treten offen für europaweite Pensionskürzungen ein. Ihr Hauptargument: das zunehmende Lebensalter und der Mangel an Beitragszahlern erzwinge diese objektiv.
Das ist wahrhaft neoliberal gedacht. Die Frage der Pensionen wird als Problem der Betroffenen gesehen. Damit wird die Tatsache zum Verschwinden gebracht, dass Pensionen ein Bestandteil der Verteilung des volkswirtschaftlich erarbeiteten Reichtums (also des Bruttoinlandproduktes) sind. Wenn der Anteil der Löhne am gesamten Volkseinkommen sinkt, der Anteil von Gewinnen und Vermögen steigt, wenn der Sozialstaat auf Grund seiner Finanzknappheit seine Zuschüsse senkt, dann sind die Pensionen in Gefahr. Aber nicht das steigende Lebensalter ist die Ursache, sondern die Umverteilung des Volksvermögens von unten nach oben. Anders gesagt: der angewandte Neoliberalismus bewirkt die Tendenz, die er beklagt! Das Herbeireden der Katastrophe soll die Bevölkerung zweifach einschüchtern: Erstens werden Kürzungen leichter durchgesetzt(es hätte noch schlimmer kommen können), zweitens werden weitere Verschlechterungen als natürliche Entwicklung eingehämmert. Natürlich ist das aber nur unter der Vorherrschaft des Neoliberalismus: zwischen 2000 und 2005 wird die Lohnsteuer um 18 Prozent steigen, die Steuern aus Kapitalerträgen nur um 5 Prozent und die Unternehmen werden um 5 Prozent weniger zahlen.
Die Einführung der Wertschöpfungsabgabe als progressive Gewinnsteuer ist daher eine natürliche Reaktion. Bei steigendem Bruttoinlandsprodukt wird sie dem sozialen Staat die notwendigen Finanzmittel für die Zuschüsse bei den Pensionen liefern. Die Gerechtigkeit zeigt sich in der Volkswirtschaft in der Form der Umverteilung.
Hans Kohlmaier
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