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Leserbrief 10.1.2006 |
Ökonomie des Überflüssigen |
Mag. Hans Holzinger Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen |
Es ist nicht leicht, Sinnvolles zu schenken in einer Gesellschaft, die alles hat. Und doch war auch diesmal das Weihnachtsgeschäft wieder ein großer "Erfolg", wie uns Wirtschaftsstatistiker freudestrahlend mitteilen. Dass es auch in Österreich Armut gibt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es der Mehrheit materiell gut geht. Nur wenige entziehen sich dem Rummel, der Euro muss rollen. Dabei treten immer mehr "wirtschaftliche" Argumente für den Konsum in den Vordergrund. "Wir müssen mehr konsumieren, damit es der Wirtschaft gut geht und Arbeitsplätze erhalten bleiben." Immer wieder bekomme ich in Seminaren und Vorträgen diese Antwort auf die Frage, ob das Kaufen in der Übersättigung überhaupt noch Befriedigung verschafft, oder ob weniger nicht vielleicht mehr sein könnte. Diese tief verinnerlichte Verkehrung des ursprünglichen Prinzips, dass die Wirtschaft da ist, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen, in sein Gegenteil wird freilich von Politik, Wirtschaftsforschung und Unternehmen geprägt und gebetsmühlenartig wiederholt. Automatisierung und Auslagerung in Billiglohnländer führen zur Überschwemmung mit immer neuen Massenprodukten. Wir schlittern so in eine Ökonomie des Überflüssigen, die aufgrund des Konkurrenzkampfs am Arbeitsmarkt zugleich immer mehr Menschen "überflüssig" macht. Eine Alternative liegt in der "Umlenkung" der Kaufkraft etwa auf gesunde, gut schmeckende Lebensmittel, auf schönes, ökologisches Bauen und Wohnen, auf Bildung und Gesundheitsvorsorge - all das erhöht nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern schafft sinnvolle Arbeitsplätze und bringt auch ökonomische Vorteile. Gut ausgebildete und motivierte Menschen, ein sorgsamer Umgang mit Ressourcen sowie geringe Negativkosten (etwa Krankheitsausgaben, Umweltschäden u.a.) werden in Zukunft gemeinsam mit einem Exportorientierten High-Tech-Sektor zu zentralen Wettbewerbsvorteilen von Volkswirtschaften. Notwendig sind aber auch Weichenstellungen, die eine Abkehr vom permanenten Steigerungsspiel erlauben. Arbeit ist nicht knapp - es gab nie so viele Beschäftigte wie heute. Und rechnet man die Erwerbsarbeitsstunden pro Haushalt bzw. Familie, so haben sich diese aufgrund des Doppelverdienerprinzips massiv ausgeweitet. Knapp sind aus diesem Grund vielmehr Ressourcen wie Zeit, Aufmerksamkeit, Muße und unverplante Frei-Räume (der Hauptstress trifft dabei meist die Frauen). Nicht zuletzt: Arbeitslosigkeit läßt sich in hochproduktiven Ökonomien - vieles erledigen die Maschinen - am besten durch weniger Arbeiten (auch der Männer) abbauen. Warum nicht die 30-Wochenstunde als Zukunftsziel! Dann bliebe wieder Zeit für so wichtige Dinge wie Familie, Haus- und Eigenarbeit oder öffentliches Engagement. Die Sinngesellschaft wäre dann die (ent)spannende Alternative zur permanenten Stressgesellschaft - im Einkaufszentrum, am Arbeitsmarkt wie im Privatleben. Ihre Finanzierung erfolgte über eine leistungsgerechte Verteilung des Reichtums. Denn derzeit fallen drei Viertel des Gesamtvermögens in Österreich auf nur 10 Prozent der Bevölkerung, die diese Vermögen auf keinen Fall alleine erwirtschaften (können). |
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