Nordtirol plant ein LKW-Nachtfahrverbot, das den Transitverkehr nach Osttirol umleitet | Aktuelles / Termine |
Stellungnahme des Transitforum Austria-Tirol zu: |
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Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol, mit der auf einem Teilbereich der A 12 Inntalautobahn verkehrsbeschränkende Maßnahmen erlassen werden |
Die hohen Luft- und Lärmbelastungen zeigen die Notwendigkeit der im Gemeinschaftsrecht abgesicherten „nachhaltigen und dauerhaften Reduktion von extremen Umweltbelastungen“. Diesbezüglich begrüßen wir den vorliegenden ersten Entwurf zu entsprechenden Gegenmaßnahmen. Um den Verpflichtungen des Gemeinschaftsrechtes *) zu entsprechen, sind allerdings nur auf den Winter beschränkte Maßnahmen ungeeignet. Das Transitforum Austria-Tirol fordert daher auf Grundlage des Gemeinschaftsrechts zum Schutz der menschlichen Gesundheit, zum Schutz der Natur und damit zur zukunftsorientierten Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlagen
ein ganzjähriges Nachtfahrverbot für LKW über 7,5 t einschließlich eines sektoralen Fahrverbotes für bestimmte Güter, um unnotwendige Ausweich- bzw. Verdichtungsverkehre in die frühen Morgen- bzw. Abendstunden aus Sicherheits-, Umwelt- und Wirtschaftsgründen zu vermeiden.
Die Dringlichkeit dieser Maßnahme wird aktuell gefestigt durch die unverständliche Entscheidung der EU-Kommission vom 24. Juli 2002, die Ausgabe der Ökopunkte wegen der nachgewiesenen Überschreitung der Lkw-Transitfahrten durch das Staatsgebiet der Republik Österreich im Jahr 2001 nicht zu reduzieren. Wegen der Säumigkeit der EU-Behörden in dieser für Österreich sehr wichtigen Frage sind die Lkw-Transitzahlen im 1. Halbjahr 2002 im Vergleich zu 2001 nachweislich (und ohne Berücksichtigung zahlreicher Ausnahmen und Umgehungen der Ökopunktepflicht) um 8,5 % gestiegen und haben mit knapp 900.000 registrierten Lkw-Transitfahrten nahezu die Jahresfahrten des Basisjahres 1991 (1,06 Millionen) erreicht. Es ist nicht anzunehmen, dass die hohen Belastungen durch die dramatischen Zuwächse gesunken sind; dem „Transit-Spuk“ ist ein Ende zu bereiten.
Rechtliche Begründung für ein Nachtfahrverbot:
Die von Österreich ratifizierte und von der EU 1996 genehmigte Alpenkonvention
hat
u.a. das Ziel, wirtschaftliche Interessen mit ökologischen Erfordernissen in
Einklang
zu bringen. In Artikel 2 Abs.1 verpflichten sich die Vertragsparteien zu einer
ganzheitlichen Politik des Schutzes und der Erhaltung unter Beachtung des
Vorsorge-, Kooperations- und Verursacherprinzips. Nach Artikel 2 Abs.2 sind zur
Erreichung dieses Zieles geeignete Maßnahmen zu ergreifen, und zwar auf dem
Gebiet des Verkehrs mit dem Ziel, Belastungen und Risiken im Bereich des
inneralpinen und alpenquerenden Verkehrs auf ein Maß zu senken, das für
Menschen, Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume erträglich ist...
Der Generalanwalt des EuGH FRANCIS G. JACOBS hat in seiner Erklärung zum
Versammlungsrecht (11.7.2002) ausgeführt, dass Fahrbeschränkungen aus Gründen
der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt sind,
sofern sie
weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte
Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Nach der
Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung müssen Beschränkungen, die keine echte
Diskriminierung darstellen, hingenommen werden, soweit sie notwendig sind, um
zwingenden Erfordernissen des öffentlichen Interesses gerecht zu werden. Weiter
„kann auch gesagt werden, dass die Wochenend-, Feiertags- und Nachtfahrverbote
selbst voll und ganz den Verpflichtungen Österreichs - und der Gemeinschaft -
aus
der Alpenkonvention entsprechen“.
Fachliche Begründungen für ein Nachtfahrverbot:
Der Landeshauptmann hat als Begründung für das Nachtfahrverbot die
Überschreitung des Halbstundenmittelwertes (HMW) für NO
2
zum Schutz des
Menschen (0,200 mg/m
3
) angeführt und in seinem Statusbericht (2001) den
LKW-Verkehr als Hauptverursacher festgestellt.
Weitere Grenzwertüberschreitungen erfordern Maßnahmen
Neben dieser als Begründung für das Nachtfahrverbot genannten Überschreitung
kam es aber laut
"Bericht an den Tiroler Landtag 2000"
auch zu Überschreitungen
des Jahresmittelwertes (JMW) für NO
2
zum Schutz des Menschen (0,040 mg/m
3
)
und zu Überschreitungen des in der EU-Richtlinie festgelegten JMW für NOx zum
Schutz der Vegetation (0,030 mg NOx/m
3
). Dieser für ein Gebirgsland besonders
wichtige Grenzwert wurde mit Ausnahme der Messstelle Innsbruck/ Nordkette auf
1900 m Seehöhe an allen Orten z.T. um das Mehrfache überschritten!
Hoher Stickstoffeintrag
Diese hohen Stickoxidemissionen tragen aber auch zur hohen Deposition in allen
Ökosystemen bei: Die Stickstoffeinträge erreichten in Tirol Werte bis zu 30
kg/ha/a,
sie liegen damit in einem Bereich, der für Nadelbäume längerfristig als
kritisch gilt.
Die zur Zeit für Europa genannten ,,Critical Loads' für Stickstoff liegen für
Nadelwald
bei einer Bewertung von Nährstoffungleichgewichten zwischen 10 und 12 kg/ha/a.
Im
Laubwald wird eine Artenverschiebung in der Kraut- und Strauchschicht bei einer
Überschreitung von 15 kg/ha.a angenommen. Destabilisierung von
Waldökosystemen sind eine mögliche Folge derartiger Belastungen. (Bericht an den
Landtag 2000).
Hohe Ozonbelastung
Stickoxide sind mit Kohlenwasserstoffen Vorläufersubstanzen für die
Ozonbildung. In
Tirol wird der Zielwert für Ozon gemäß IG-L zum Schutz der menschlichen
Gesundheit bei allen Messstellen zum Teil sogar häufig überschritten. In noch
viel
größerem Ausmaß wurden die von der Österreichischen Akademie der Wissenschaft
(ÖAW) zum Schutz der Vegetation empfohlenen Grenzwerte überschritten: In den
talnahen Bereichen an rund 160 bis 220 Tagen des Jahres, mit zunehmender Höhe
noch häufiger und im Bereich der Hochlagen praktisch während des ganzen Jahres.
(Bericht an den Tiroler Landtag 2000)
Lärmbelastung unberücksichtigt
In weiten Teile des Unterinntals wird der vom österreichischen Arbeitsring zur
Lärmbekämpfung (ÖAL) empfohlene Nachtlärm-Richtwert von 45 dB(A) deutlich
überschritten, im Raum Schwaz-Vomp z.B. ist mehr als die Hälfte des möglichen
Lebensraumes mit einem autobahnbezogenen Nachtlärm von über 45 Dezibel
belastet. Diese Belastung ist vor allem im Sommer für die betroffene Bevölkerung
unerträglich und schädigt die Tourismuswirtschaft in engen Gebirgstälern
nachhaltig
und dauerhaft.
Diese hohen Luft- und Lärmbelastungen zeigen die Notwendigkeit einer nachhaltigen und dauerhaften Reduktion. Nur auf den Winter beschränkte Maßnahmen sind dafür ungeeignet. Das Transitforum Austria-Tirol fordert daher auf Grundlage des Gemeinschaftsrechts zum Schutz der menschlichen Gesundheit, zum Schutz der Natur und damit zur zukunftsorientierten Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlagen
ein ganzjähriges Nachtfahrverbot für LKW über 7,5 t einschließlich eines sektoralen Fahrverbotes für bestimmte Güter , um unnotwendige Ausweich- bzw. Verdichtungsverkehre in die frühen Morgen- bzw. Abendstunden aus Sicherheits-, Umwelt- und Wirtschaftsgründen zu vermeiden.
*) Die gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen zur Umsetzung des ganzjährigen Nachtfahrverbotes für Lkw über 7,5 t einschließlich eines sektoralen Fahrverbotes für bestimmte Güter:
Dabei berufen wir uns auf den "Umfassenden Umweltschutz", zu dem sich die Republik Österreich (Bund, Länder, Gemeinden) 1984 als „staatspolitischem Ziel“ bekannt hat (BGBl. 491 v. 27.11.1984), das "Übereinkommen zum Schutz der Alpen / Alpenkonvention" (BGBl. 477 v. 21.07.1995 und 96/191/EC sowie Schlussanträge des Generalanwaltes FRANCIS G. JACOBS vom 11.07.2002 in der Rechtssache C-112/00) sowie auf den Vertrag von Amsterdam, Art. Nr. 95 (hohes Schutzniveau für Kommission verpflichtend!).
©transitforum austria-tirol, Juli 2002
vgl. Alpenschutz-Transiterklärung |
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