Anlässlich der Informationsveranstaltungen der letzten Tage zum Ausbau der Unterpustertaler Straße wurden vor allem zwei Tatsachen deutlich:

• Die betroffene Bevölkerung hat deutlich gemacht, dass es noch einen großen Diskussionsbedarf gibt, dass die vorgelegten Projekte in vielen Punkten auf große Bedenken stoßen und dass man nicht gewillt ist, diese als vollendete Tatschen hinzunehmen.
• Für die Landesregierung hingegen scheinen diese Veranstaltungen nur dazu gedient zu haben, der Bevölkerung Bauvorhaben zur Kenntnis zu bringen, die bereits beschlossen sind und die man um jeden Preis und sofort verwirklichen will.

Was hier als der Weisheit letzter Schluss und mit großem propagandistischem Aufwand präsentiert wurde, ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, der schon aufgrund seiner unklaren bis widersprüchlichen Vorgaben und seiner ausschließlich straßenbautechnischen Ausrichtung nicht geeignet war, wirklich angemessene und intelligente Lösungen zum Vorschein zu bringen. Entsprechend altbekannt ist das Ergebnis - zudem wurden für die einzelnen Abschnitte zwei Projekte ausgewählt, die eine sehr unterschiedliche Grundausrichtung haben. Themen wie die Auswirkungen auf die künftige Verkehrsentwicklung, auf Umwelt und Landschaft sowie auf das regionale Wirtschaftsgefüge wurden praktisch nicht berücksichtigt. Eine Entscheidung von einer solchen Tragweite für die Zukunft unseres Tales darf aber unmöglich allein den Straßenbauern überlassen bleiben.

Die Plattform Pro Pustertal wiederholt hier nochmals die wichtigsten Einwände gegen das gewählte Projekt:

• Für das Gemeindegebiet von Vintl ist das Projekt abzulehnen: was als "Umfahrung" beschönigt wird, ist in Wirklichkeit eine zweite Straße, mit der sich die Verkehrsbelastung über das ganze Tal ausbreitet und ein starker Anreiz für zusätzlichen Verkehr geschaffen wird, auch Transit- und Schwerverkehr. An Stelle der über 5 km langen Neutrassierung mit Verbauung des Flussufers ist ein Verlauf auf der bestehenden Trasse mit zwei Niederflurabschnitten in Nieder- und Obervintl ins Auge zu fassen, die eine wesentlich wirksamere Entlastung der betroffenen Ortskerne bringen, ohne zusätzlich Landschaft zu verbrauchen und Anreize für eine weitere Verschlimmerung der Verkehrssituation zu schaffen.
• Das Projekt im Abschnitt St. Sigmund- St. Lorenzen ist akzeptabel, was die Trassierungswahl betrifft, einzelne Lösungen sind allerdings auch hier zu überdenken. Das aufwändige Kreuzungsbauwerk in St. Sigmund und die dort vorgesehene Parallelstraße sind weder notwendig noch landschaftlich tragbar. Der Tunnel bei der Gisse muss so verwirklicht werden, dass er die gesamte Häusergruppe entlastet. Für Kiens ist nochmals ernsthaft die Möglichkeit einer Nordumfahrung zu prüfen, die viele Probleme vermeiden würde und in Summe weniger aufwändig wäre. Die Kreuzungslösung fürs Gadertal stellt einen unvertretbaren Eingriff in ein unter Landschaftsschutz stehendes und historisch einmaliges Ensemble dar und kann so nicht akzeptiert werden.

Die Plattform Pro Pustertal fordert, dass die gesamte Verkehrsproblematik im Unterpustertal einer Raumverträglichkeitsprüfung unterzogen wird, die alle möglichen Alternativen, nicht nur die Siegerprojekte, gleichberechtigt berücksichtigt und auch auf verkehrs- und regionalpolitische Fragestellungen eingeht, z. B. Maßnahmen zur Mobilitätssteuerung und zur Verlagerung auf die Bahn, die gleichzeitig in Angriff genommen werden müssen. Die definitive Entscheidung über die Zukunft der Straße im Unterpustertal ist erst in Folge eines seriösen und transparenten Bürgerbeteiligungsverfahrens zu fällen, bei dem die Vorstellungen der Landesregierung den Ausgangspunkt, aber auf keinen Fall das "letzte Wort" darstellen können. Demokratie hat nicht nur anlässlich der Wahlen stattzufinden, Entscheidungen von solcher Tragweite gehören vors Volk.

Mit freundlichen Grüßen
für die Plattform Pro Pustertal

Dr. Christine Baumgartner
Bruneck, 24.01.2003