17.2.2022
Presseaussendung derorf.at:
LKW-Studie zur Drautalstraße B100
E66: vierspurige Autobahn bei Spittal zielt direkt auf die B100 bei Lendorf
TT PLUS:
Transit durch Osttirol:
Die Verkehrslawine ist schon im Anrollen
Osttirol online:
Verkehrsinitiativen nehmen LKW-Studie unter die Lupe
Osttirol heute:
Fridays For Future Osttirol und weitere Initiativen kritisieren LKW-Transit-Studie
krone.at:
Warnung vor Lkw-Lawine
Logistikcenter: Zweifel an Verlagerung auf Schiene
Die jetzt von der Landesregierung veröffentlichten Studie greift auf Vergangenheitswerte zurück, teilweise auf durch die Coronakrise reduzierte Zählergebnisse. Sie wird der in Zukunft ansteigenden Verkehrslawine durch die vielen noch geplanten oder schon im Bau befindlichen Ausbauten an der Europastraße E66 (3) nicht gerecht. Die Pustertaler Straße SS49 in Südtirol wird mit großräumigen Umfahrungen, auch mit Mitteln für die Olympiade in Cortina, schnellstraßenartig ausgebaut (aktuell: Umfahrungen Kiens und Percha) - Südtirols Mobilitäts-Landesrat Daniel Alfreider: "...bessere grenzüberschreitende Verbindungen nach Osttirol, Belluno und zur Brennerautobahn ...." - Die bestehende Alemagna-Staatsstraße SS51 als Zubringer zur Pustertalerstraße wird auch wegen der Olympiade um Hunderte Millionen Euro ausgebaut (4 großräumige Umfahrungen für Longarone, Tai di Cadore, San Vito und Cortina) und weitere Ausbauten. Für Sillian wird neuerdings - wegen der geplanten Schischaukel nach Sexten - ganz offen wieder eine großräumige Südvariante anstelle eines weit weniger transitgefährlichen Nordtunnels andiskutiert. Im Zusammenhang mit der Nordumfahrung von Abfaltersbach hat die Tiroler Landesbaudirektion gegenüber dem damaligen Wirtschaftsministerium argumentiert, dass die Drautalfurche die erste Ost-West-Verbindung des Alpenhauptkamms sei und deshalb das ganze Jahr über für LKW unbehindert befahrbar gemacht werden müsse. Die höchst entbehrliche Umfahrung Mittewald wurde offenbar nur in Angriff genommen, weil aus der Sonderfinanzierung des Bundes für den B100-Ausbau vom ehemaligen Tiroler LH Weingartner beim Verfassungsgerichtshof Mittel auch für den B100-Ausbau in Osttirol eingeklagt wurden. Eine Lastbeschränkung für den Neubau der Draubrücke in Arnbach und desgleichen eine allfällige Überbauung der B100 bei der Ausgrabungsstätte Aguntum wurden von der Straßenverwaltung mit dem Argument abgelehnt, dass dies bei einer Europastraße nicht zulässig sei. Österreich hat das Europastraßenabkommen zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert und wäre damit nicht verbindlich. Trotzdem erfüllen oder übererfüllen sogar die B100-Ausbauten die Mindest-Ausbaukriterien dieses Abkommens (UNECE-AGR Genf 1975).
Schon vor über 20 Jahren wurde in einer vom damaligen Verkehrsministerium in Auftrag gegebenen Studie darauf hingewiesen, dass die B100 damals schon Kostenvorteile gegenüber Alternativstrecken aufgewiesen habe, aber noch größere Zeitnachteile. Nur für die Hälfte der damals an der Grenze in Arnbach befragten LKW-Chauffeure wäre die die B100 die kürzeste Route zu ihrem Ziel gewesen. Durch den weiteren Ausbau der B100 würden die Zeitnachteile sukzessive reduziert und die Strecke immer attraktiver. Bei einem Vollausbau der B100 - so die Schlussfolgerung aus der Studie - würde es zu deutlichen Verlagerungen von Verkehr von anderen Strecken auf die B100 kommen.
In Kärnten geht es beim B100-Ausbau aktuell um die sogenannte "Umfahrung" von Greifenburg, tatsächlich ist dies aber nur ein Teilstück des zwölf Kilometer langen Lückenschlusses zwischen dem bisherigen Ausbauende beim Greifenburger Ortsteil Radlach-West und Dellach/Drau. Die Kärntner Straßenbau-Abteilung zog ein bereits 2008 bestbewertetes baureifes ortsnahes Umfahrungsprojekt, mit dem sich auch die Bürgerinitiativen abgefunden hätten, urplötzlich zugunsten einer ortsfernen bahnparallelen Trasse mit großem Bodenverbrauch zurück. Wie in der sogenannten Illetschko-Studie für das damalige Bautenministerium festgehalten wurde, hat die Straßenverwaltung schon in den 70er-Jahren die bahnparallele Trasse mit dem Argument favorisiert, diese Trasse später leichter in eine vierspurige Schnellstraße ausbauen zu können, als dies bei einer ortsnahen Trasse möglich wäre. Beim Variantenvergleich 2008 hatte die bahnparallele Variante am schlechtesten abgeschnitten, trotzdem wurde sie jetzt wieder aus dem Hut gezaubert und in einer fragwürdigen neuen Nutzwert-Analyse hätte sie plötzlich am besten abgeschnitten. Trotz EU-rechtlich höchst problematischer Stückelung in Bauabschnitte (1) meinte man in der Kärntner Landesregierung, dass keine UVP-Pflicht bestehe. Laut EU-UVP-Richtlinie gilt das Verbot, UVP-pflichtige Projekt in Teilprojekte zu stückeln, um der UVP-Pflicht zu entgehen. Dass die "Umfahrung" nur ein Teilprojekt ist, wird durch die Aussagen des Kärntner Landehauptmannes ("erster Bauabschnitt", "Sicherheitsausbau der B100 Drautal Straße zwischen Greifenburg und Dellach" laut Aussendung vom 2.Juni 2021) und des zuständigen Landesrates, dass die anschließenden B100-Abschnitte Berg und Dellach schon in Planung seien, eindeutig widerlegt. Der überregionale Charakter des B100-Ausbaus zeigt sich auch durch die Beschilderung der bereits ausgebauten B100-Strecke Lurnfeld bis Radlach-West als "Autostraße", wofür laut §46 und 47 STVO bis auf wenige Ausnahmen die gleichen Regelungen wie für Autobahnen gelten (zulässig nur für Kraftfahrzeuge mit einer Bauartgeschwindigkeit von mindestens 60 km/h). Die geplante kreuzungsfreie Unterführung der Ortszufahrt nach Greifenburg im Ausführungsprojekt deutet auf die Absicht hin, die "Autostraße" nach Westen hin auszudehnen, damit den Verkehr zu beschleunigen und für den Durchzugsverkehr noch attraktiver zu machen.
In Fortsetzung der E66-Abschnitte Tauern- und Südautobahn (A10 und A2) wird derzeit am nächsten E66-Abschnitt, der Fürstenfeld-Schnellstraße S7 vierspurig bis Heiligenkreuz, Grenzort nach Ungarn, gebaut.
Vom ungarischen Grenzort Körmend ausgehend schließt als nächster E66-Abschnitt die M80, vorerst nur als zweispurige Schnellstraße ausgeführt, bis Szekesfehervar an, dem ursprünglichen Ende der E66. Auf Wunsch der ungarischen Regierung soll die 636 km lange E66 aber um 166 km bis vor Szolnok, südöstlich von Budapest, verlängert werden, drei Autobahnen und eine Schnellstraße miteinander verbinden und in die E60 in Richtung Bukarest/Rumänien einbinden (4).
Eine zusätzliche LKW-Transitgefahr besteht auch durch das von der deutschen DLH geplante große Logistikzentrum in Fürnitz bei Villach, für das anachronistischerweise kein Bahn-Anschluss vorgeschrieben ist. Es ist anzunehmen, dass viele Transporte dann nicht zum nahegelegenen ÖBB-Verladeterminal führen, sondern direkt per Lkw auf der Straße in alle Richtungen verteilt werden, auch auf der B100 im Drau- und Pustertal, wo eine Bahnverladung - wenn überhaupt - nur sehr begrenzt möglich ist. Trotzdem wird das Logistikzentrum vom Villacher Bürgermeister Albel als "grünstes Projekt Österreichs" hochgejubelt.
Angesichts der zu erwartenden Verkehrssteigerung (Neu- und Ausweichverkehr) durch die vielen Ausbauten im Zuge der E66 wäre trotz des angeblich derzeit nur geringen Verlagerungspotentials durch eine 7,5-to-Beschränkung eine solche zum Schutz von Bevölkerung und Umwelt höchst sinnvolle Vorsorgemaßnahme. Schon der derzeitige Verkehr ist einer der Hauptverursacher der gesundheitsgefährdenden Feinstaub- und Stickoxid-Belastung, z.B. in Lienz. Lienz gehörte im Jahr 2020 zu den sechs am höchsten mit Feinstaub belasteten Orten in Österreich (Quelle: https://www.umweltbundesamt.at/luftwerte-ueberschreitungen/ueberschreitungen2020) (2). Für die noch gefährlicheren, weil noch lungengängigeren Feinstststäube (PM 2,5) und Ultrafeinstäube, gibt es keine regelmäßigen Erhebungen.
Die Ankündigung, Kärnten als Logistik-Drehscheibe Europas zu profilieren, kann für das bahnverladungs-amputierte Drau- und Pustertal und dessen Bevölkerung nur als schlimmes Bedrohungsszenario aufgefasst werden.